Offener Brief der Fachschaft Anglistik zur Besetzung des Rektorats an Herrn Direktor Prof. Dr. Bernhard Eitel
Fachschaft Anglistik
Kettengasse 12
69117 Heidelberg
19. Juni 2009
An
Prof. Dr. Bernhard Eitel
Rektor der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Eitel,
im Zuge des Bildungsstreikes 2009 ist es in Heidelberg zur Besetzung der Alten Universität gekommen. Sie haben einige Fachschaften um Stellungnahmen gebeten undsich in Ihrer Pressemitteilung vom 18. Juni auf die ablehnende Haltung der Fachschaft Medizin der Besetzung gegenüber bezogen. Mit Bedauern mussten wir feststellen, dass wir von der Fachschaft Anglistik nicht von Ihnen nach einer Stellungnahme gefragt wurden, repräsentieren wir doch die Studierenden des größten Instituts der größten Fakultät. Anstatt sich auf die Stellungnahme einzelner Fachschaften, die mit Ihnen konform gehen, zu beziehen, wäre es in unseren Augen angebrachter, alle Fachschaften anzuhören. Sie werden in der angesprochenen Pressemitteilung folgendermaßen zitiert: "Wir haben zunächst die Heidelberger Tradition fortgeführt und die setzt auf Dialog und die Kraft der Argumente." Wenn dem so ist, stellt sich uns Anglisten die Frage, warum Sie von der Distanzierung zahlreicher Studierender von der Besetzung sprechen, ohne zuvor eben diese Studierende angehört zu haben.
Wir bestreiten nicht, dass Sie Gesprächsbereitschaft gezeigt haben. Allerdings ist dies effektiv erst nach der Besetzung geschehen. Eine Besetzung ist sicherlich eine ungewöhnliche Maßnahme zur Durchsetzung von studentischen Belangen. In Anbetracht der Tatsache, dass Sie aber zuvor mehrmals die Gelegenheit hatten, die Anregungen der Studenten ernsthaft in Betracht zu ziehen, und sich dagegen entschieden haben, ist eine drastische Maßnahme wie eine Besetzung des Rektorats anscheinend die einzige Möglichkeit. Durch eine stetige Kommunikation, in der sich die Studierenden vom Rektorat ernst genommen fühlen, hätte eine Besetzung verhindert werden können. Es spricht nicht gegen die Studenten, dass sie als letztes Mittel die Besetzung sehen. Die inhaltlichen Forderungen, die vorgetragen wurden, sind keine radikalen Forderungen, sondern mit geltendem Recht des Landes Baden-Württemberg zu vereinbaren. Es sind Forderungen, die nicht nur die Struktur der Universität Heidelberg demokratisieren, sondern auch die Lehre direkt verbessern würden. Die Fachschaft Anglistik sieht keinen plausiblen Grund in der Verweigerung von 11 Studierendenvertretern im Senat. Wir möchten hiermit an Ihre Führungskompetenzen und Ihre Kompromissfähigkeit appellieren und erhoffen uns Ihr Einlenken in dieser und anderen Fragen.
An der Universität Heidelberg studieren mehr als 27.000 junge Menschen. Junge Menschen, die nicht ohne Grund an der ältesten deutschen Universität studieren. Viele hat der Ruf einer altehrwürdigen Bildungseinrichtung in unsere Stadt gelockt – eine Universität, an der man studieren und sich selbst finden und weiterentwickeln kann, und eine Universität, an der man zu einem mündigen Bürger herangezogen wird. An der Universität Heidelberg lernt man in diesen Tagen nur eines: Die Forderungen der Studierenden werden nicht gehört; verleihen sie ihrem Anliegen Nachdruck, werden sie in der Öffentlichkeit diskreditiert. Diese Entwicklungen sehen wir als Studierendenvertreter kritisch. Wissen wir doch auch von der schweren Arbeit unserer Mitglieder im Fakultätsrat, die immer wieder gegen eine Stimmübermacht der ProfessorInnen ankämpfen müssen, die nicht ernst genommen werden und deren Stimme nicht gehört wird. Umso mehr unterstützen wir auch die Forderung nach einer stärkeren
Studierendenanzahl in den Fakultätsräten.
Darüber hinaus möchten wir noch einmal darauf hinweisen, dass wir Studierende als größte Statusgruppe der Universität und als Bürger in einer demokratischen Gesellschaft das Recht haben, gehört zu werden, ernst genommen zu werden und vor allem mitgestalten können, wann immer unsere Belange berührt werden. Die Universität ist keine reine Forschungseinrichtung, ihre Aufgabe ist vor allem auch die Lehre. Diese muss den Bedürfnissen der Studierenden gerecht werden. Damit Heidelberg seinen internationalen Ruf auch weiterhin behält, ist es unabdingbar, dass die Studierenden ein Mitspracherecht in Angelegenheiten, die Lehre und Prüfungen betreffen, haben. Deshalb unterstützen wir als Fachschaft Anglistik die friedliche Besetzung und fordern Studierende, ProfessorInnen, DozentInnen und sonstige Angehörige der Universität Heidelberg auf, sich mit den Forderungen auseinander zu setzen und sich eine unabhängige Meinung zu bilden.
Wir wünschen uns auf Dauer keine Konfrontation zwischen Studierenden und Universitätsleitung, sondern einen konstruktiven Dialog über die existierenden Bildungsprobleme und deren Behebung. Daher appellieren wir an Sie als Rektor dieser Universität, der Kommunikation eine echte Chance zu geben und die Studierenden nicht weiter mit Terminversprechungen und leeren Phrasen hinzuhalten. Nur so können wir Differenzen überwinden und unsere Universität gemeinsam zu einem Ort des lebendigen Geistes machen.
Mit freundlichen Grüßen,
Fachschaft Anglistik
(fachschaft.anglistik@urz.uni-heidelberg.de)